
20 Jun Die Übermüdungsfalle
„Wir leben in einer Zeit, in der Tag und Nacht nur mehr Vorschläge sind!“, meint ein Mobilfunkanbieter in seiner Werbelinie. Im Gegensatz dazu formulierte der Philosoph Rabindranath Tagore in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts: „Arbeit und Ruhe gehören zusammen wie Auge und Lid!“ Was ist denn nun wirklich Sache? Brauchen wir Ruhephasen oder sind diese lediglich unproduktiver Müßiggang? Ist es noch zeitgemäß, sich für Pausen und arbeitsfreie Zeit einzusetzen?
Gerne zeigen wir uns in der heutigen Zeit als beschäftigte und voll ausgelastete Personen. Keine freie Zeit im Terminkalender zu haben, wird als Qualitätsmerkmal der eigenen Fähigkeiten, des eigenen Durchhaltevermögens und nicht zuletzt der eigenen Belastbarkeit erachtet.
Müßiggang und Pause sind Zeichen von Schwäche. Das Bedürfnis nach Ruhe ein Hemmschuh auf dem Weg zu schnellerer und besserer Leistung.
Doch übersehen wir dabei, dass der menschliche Organismus nicht für Dauerbelastungen ausgelegt ist. Natürlich kann man über einen längeren Zeitraum viel arbeiten und wenig Erholungsphasen aushalten. Doch sobald dies zum Dauerzustand wird, sind Ausfallserscheinungen nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.
Ein weiteres Beispiel: nächtelange Marathonsitzungen von Vorstandsgremien oder in der Politik. Auch wenn die dabei involvierten Personen es leugnen werden – sie sind selbstverständlich übermüdet! Können übermüdete Menschen die Tragweite von Entscheidungen erfassen? Wieso lässt man es in diesen wichtigen Gremien überhaupt zu solchen Situationen kommen? Mitunter findet hier eine Konkurrenz hinsichtlich Durchhaltevermögen statt, die alles andere als Produktiv ist.
Was passiert bei Übermüdung? Der Psychologe Kurt Lewin beschrieb sogenannte Spannungsfixierungen in derartigen Situationen. Spannungen sind psychologische Kräfte, die auf eine Veränderung ausgerichtet sind und sowohl körperlich als auch emotional spürbar sind. Bemerkt unser Körper ein Flüssigkeitsdefizit, so entsteht aus dem Selbsterhaltungstrieb Durst und das Bedürfnis, diesen zu stillen. Unsere Gedanken und Taten werden durch die daraus resultierenden Spannungen ab diesem Zeitpunkt vor allem auf das Auffinden etwas Trinkbaren ausgerichtet sein.
Spannungsfixierungen halten uns in diesem getriebenen Zustand. Sie entstehen dann, wenn Bedürfnisse nicht gestillt werden können, aus der Umwelt Druck auf uns ausgeübt wird oder durch Ermüdung die Spannung generell steigt. Dies hat aus gruppendynamischer Sicht Auswirkung auf die gesamte Gruppe von Menschen, die zu diesem Zeitpunkt miteinander kooperieren sollte. Geistige Flexibilität, Konzentrationsvermögen, Weitsicht, Umsicht, Abrufen von Informationen aus dem Gedächtnis – lauter Dinge, die in einem Zustand der Spannungsfixierung nicht mehr in dem Ausmaß möglich sind, welches für konstruktives und effizientes Arbeiten notwendig wäre. Und fehlerfreies Arbeiten ist in einem solchen Zustand schon längst Geschichte.
Schlafmangel und Müdigkeit verringern zudem die körpereigene Immunabwehr, was Infekten und Krankheiten Tür und Tor öffnet.
Woher kommt der Trend, sich selbst so wenig Pausen zu gönnen?
Einerseits erzeugt die bereits erwähnte Konkurrenz um Durchhaltevermögen den Zwang nur ja nicht als schwach zu gelten. Auch ist unser Bedürfnis, als möglichst kompetent, leistungsfähig und vor allem auch als unverzichtbar gesehen zu werden, ein Auslöser dafür (vgl. https://consiglieria.com/b/arbeitszeit-und-produktivitaet/ ).
Aus dieser Beobachtung heraus formuliert Zukunftsforscher Alex Soojung-Kim Pang (: „Wir haben es geschafft ein körperliches Bedürfnis [nach Erholung, Anm. des Autors] in moralisches Versagen zu verwandeln.“
Doch was tun gegen die Übermüdung und Verausgabung?
Die Antwort mag einfach sein und doch für die meisten von uns sehr schwierig: gönnen sie sich Ruhe. Machen sie Pausen. Schlafen sie ausreichend. Gönnen sie sich Auszeiten. Nehmen sie den Urlaub in Anspruch. Treiben sie Gesundheitssport. Finden sein ein kreatives Hobby… kurz: seien sie achtsam sich selbst gegenüber!
Die meisten Strategien, um Übermüdung entgegenzusteuern, benötigen zur Umsetzung keine Kraftakte. Ich möchte einige ausgewählte beispielhaft anführen:
Ruhepausen und Erholungsphasen fix in ihren Alltag einzuplanen, hilft, diese auch einzuhalten. Dasselbe gilt auch für festgelegte Pausenzeiten bei Marathonsitzungen und Besprechungen. Sie haben es sicher schon selbst erlebt: es gibt Phasen in Meetings, wo nichts mehr weitergeht – nach einer kurzen Pause finden sich plötzlich Lösungen zum davor unlösbaren Problem.
Jeden Tag einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft zu machen kostet nichts und macht den Kopf frei. Mehrmals pro Woche kurze Sporteinheiten einplanen, hilft, sie auch wirklich umzusetzen.
Beim Mittagessen sich auf den Geschmack des Essens konzentrieren und nicht die Zeitung daneben lesen.
Dinge nacheinander und nicht parallel machen, hilft Fehler zu vermeiden und achtsam zu bleiben.
Gönnen sie sich ausreichend Schlaf.
Reflektieren sie, wie sie zu Leistung und Konkurrenz stehen.
Seien sie kreativ, was das Einbauen von Ruhephasen in ihren Alltag anbelangt.
Ach, ja: Vielleicht sollten sie darüber nachdenken, ob ein Coaching hilfreich sein könnte, der Übermüdungsfalle zu entgehen.
In diesem Fall: Kontaktieren sie uns. Wir helfen gerne.